Die Historische Kirchentruhe und der Dreißigjährige Krieg
Bilder von unserer Sonderausstellung am Kerbsonntag, den 10. September 2023.
Die Historische Kirchentruhe (Auch „Schweden-Truhe“ genannt)
Als sich die Kriegshandlungen des Dreißigjährigen Krieges im November 1631 auch in
das Untermaingebiet verlagerten, versteckten die Niedernberger die
Kirchenschätze (Kelche, Monstranz, Akten und Urkunden) auf dem Kirchenspeicher
des Langhauses (Kirche von 1628) in einer schweren Truhe aus massivem
Eichenholz, die man bereits 1611 vom Schlosser für 6 Gulden mit starken
Eisenbändern hatte beschlagen lassen.
Außerdem war diese Kiste mit zwei starken Schlössern (außen und das innere Nebenfach)
gesichert.
Nach ihrer Ankunft in
Niedernberg suchten die Schweden auch in der Kirche nach wertvollen
Gegenständen. Nachdem sie die Türe zur Empore aufgebrochen hatten, fanden sie
auch die Truhe auf dem Kirchenspeicher. Da
sie die beiden Schlösser mit brachialer Gewalt nicht öffnen konnten, brannten
sie diese mit Feuer (vermutlich mit glühenden Eisen) aus. Wo sie diese
Schlösser ausbrannten, ob auf dem Kirchenspeicher oder im Freien, ist nicht
überliefert. Nach dem sie den Inhalt der Kiste geplündert hatten, ließen sie
die beschädigte Truhe am Tatort zurück. Somit blieb sie der Nachwelt als Erinnerung erhalten.
Den kompl.Text der Aufzeichnungen von Albert Wagner kann man hier... nachlesen, ältere Bilder der Truhe findet man hier...
Als strategisch wichtiger, an der Mainlinie (Römerstraße) liegender Ort hatte auch Niedernberg immer wieder durchziehende Truppen zu beherbergen und zu verköstigen. Mal waren es Sieger, mal Besiegte, oftmals konnte man Freund und Feind nicht auseinanderhalten. Doch alle wollten sie neben Quartier auch Wein, Verpflegung und Geld!
Der Mainzer Güterbeschreibung von 1651 zufolge überstanden in Niedernberg 51 der 77 Behausungen die Kriegsjahre, 26 wurden durch Feuer zerstört. Von 600 Einwohnern waren lediglich 85 (15-17 Familien) übrig, der Rest flüchtete vor dem Krieg oder fiel diesem zum Opfer. Es dauerte bis Anfang des 19. Jahrhunderts, bis die katastrophale Entvölkerung ausgeglichen, die Einwohnerzahlen von 1617 wieder erreicht wurden.Zum "Tag des offenen Denkmals" hatte unser Sammelsurium von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Teilweise herrschte großer Andrang, ab und zu war es etwas ruhiger. Es waren jedoch fortwährend interessierte Besucher anwesend, die Ausstellung wurde sehr gut von der Bevölkerung angenommen.
Wenn man vor solch einer über 400
Jahre alten, geschichtsträchtigen Kirchentruhe steht, das hat schon etwas
Ehrfürchtiges an sich. Manch einer kann sich gedanklich gut in die damalige Zeit
und die Hintergründe hineinversetzen. Im oberen Bild ist Ingrid im Gespräch mit Denis, der an der Seite von Bürgermeister Jürgen Reinhard die Truhe begutachtet.

Vielen
Dank ...
an die zahlreichen Besucher unserer Sonderausstellung
an die Pfarrei Niedernberg für die Leihgabe der historischen Kirchentruhe
an Florian und seine freiwilligen Helfer, welche die schwere Eichentruhe vom Speicher des Pfarrhauses ins Dachgeschoss der Sandsteinschule und wieder zurückgebracht haben
und an unsere Helfer, welche im Vorfeld und an Kerbsonntag für eine erfolgreiche Ausstellung mit reibungslosen Ablauf gesorgt haben.
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Kerbsonntag, 10. September 2023:
Zum "Tag des offenen Denkmals" ist unser Sammelsurium im Dachgeschoss der Sandsteinschule von 13 bis 17 Uhr für interessierte Besucher geöffnet. Wir möchten den Niedernbergern an diesem Tag ein besonderes Highlight präsentieren:
Die große, historische Kirchentruhe, welche im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) durch Truppen des Schwedenkönigs Gustav II Adolf (wahrscheinlich am 23. November 1631) aufgebrochen und geplündert wurde, wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Loch vom damals ausgebrannten Schloss ist noch heute deutlich zu sehen. Eine Schlosser-Rechnung über sechs Gulden für das Beschlagen der Truhe ("do die Kelch in verwahrt werden") ist aus dem Jahre 1611 überliefert. Die komplette Geschichte um die Truhe und den damaligen Inhalt wird in der Ausstellung dokumentiert.
Der Dreißigjährige Krieg - die erste „Urkatastrophe“ der deutschen Geschichte.
Eine Dokumentation mit zusätzlichen Infos und Bildern zu den damaligen schweren Zeiten wird die Ausstellung abrunden. Weder vor noch bislang nach diesem als Religionskrieg begonnenen und als Territorialkrieg endenden Konflikt hatte das Pfarrdorf Niedernberg höhere Verluste davontragen müssen. Fast die Hälfte der Landbevölkerung ließ innerhalb der 30 Kriegsjahre ihr Leben. In manchen Gegenden schrumpfte die Bevölkerung auf ein Drittel ihres Bestandes, mehr als 100 Jahre (drei Generationen) wurden benötigt, um sich von den Folgen zu erholen. Wie hoch die Verluste an Familien und Behausungen in Niedernberg und zum Vergleich in umliegenden Dörfern waren, wird in der Ausstellung detailliert aufgezeigt.
(Einen Online-Vorbericht von Christel Ney im Main-Echo findet man hier..., die Printversion hier...)
Nach der Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther am 31. 10. 1517 in Wittenberg begann in Europa das Zeitalter der Reformation. Die religiösen Konflikte eskalierten in einer Vielzahl von Kriegen und Bürgerkriegen. Höhepunkt war der Dreißigjährige Krieg, der letztendlich durch den zweiten Prager Fenstersturz ausgelöst wurde und das Mächtegefüge auf dem Kontinent entscheidend veränderte und viel Leid ins Land brachte. Infos / Filmdoku
Der zweite Prager Fenstersturz am 28. Mai 1618 hatte den 30-jährigen Krieg, zur Folge. In Böhmen entlud sich der Kampf um die Glaubensfreiheit in einem demonstrativen Akt des Widerstandes, zwei Statthalter des Kaisers und ein Sekretär wurden nach heftigem Wortwechsel mit Vertretern der Stände kurzerhand aus dem Fenster geworfen. Sie überlebten den Sturz, aber die "europäische Urkatastrophe" nahm fortan ihren Lauf.
Neben den direkten Gräueltaten des Krieges (Raub, Plünderungen und Misshandlungen) waren vor allem Hunger und Seuchen für das Massensterben verantwortlich. Zudem wurden die Viehbestände der Landwirte in einigen Gebieten fast vollständig vernichtet, was eine baldige Erholung der Lage schier unmöglich machte.
Er war die Mutter aller Kriege: Kaum ein Dorf, kaum eine Stadt ließ der Dreißigjährige Krieg unverschont.
Auch die Pest wütete während des Dreißigjährigen Krieges hier in
unserer Region und die Hexenprozesse in ganz Europa erreichten einen blutigen
Höhepunkt. Bild links: Kolorierter Kupferstich eines Pestdoktors von Paul Fürst "Der Doctor
Schnabel von Rom", ca. 1656. Bild mittig: Augsburger Pesttafel aus den Jahren 1607–1635. Bild rechts: "Hexe zu Schwyz verbrannt" am 2.8.1571. Illustration aus Johann Jakob Wicks Nachrichtensammlung aus dem 16. Jahrhundert, Zentralbibliothek Zürich.
Hinweis: Verständigungsschwierigkeiten gab es damals keine. Des Königs Mutter Christine war die Tochter des Herzogs von Schleswig-Holstein-Gottrot und kommunizierte mit ihrem Sohn ausschließlich auf Deutsch, wodurch Gustav-Adolf zweisprachig aufwachsen konnte.
„Hanging from The Miseries and Misfortunes of War“ - „Der Galgenbaum“, aus dem 18-teiligen Radierzyklus „Die großen Schrecken des Krieges“ (Les Grandes Misères de la guerre), nach Jacques Callot (1632) zählt zu den bekanntesten Bildern des Dreißigjährigen Krieges.
Die Abbildung zeigt die Exekution von „infamen und verlorenen“ Dieben (Voleurs infames et perdus) sowie vermutlich auch Marodeuren, die um ihr Leben würfeln (in der Abb. rechts des Baums). Die Maßnahme ist kein Willkürakt, sondern erfolgt vor versammelter Truppe (linker u. rechter Bildrand), im Beisein von Geistlichen. Der Akt entspricht dem damaligen Kriegsrecht zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin.