Gasthaus Zum Schwanen ("Schwanenstübchen")
1951 bis 1.September 1971
»Der Abend senkt sich auf die Dächer der Vorstadt - die Kinder am Hof müssen heim
Die Krämersfrau fegt das Trottoir vor dem Laden - Ihr Mann trägt die Obstkisten rein
Der Tag ist vorüber - die Menschen sind müde - doch viele gehen nicht gleich nach Haus
Denn drüben klingt aus einer offenen Türe - Musik auf den Gehsteig hinaus
Die kleine Kneipe in unserer Straße - da wo das Leben noch lebenswert ist
Dort in der Kneipe in unserer Straße - da fragt dich keiner was du hast oder bist ... «
... weiterer Text siehe Musikvideo (Peter Alexander singt in einer kleinen Kneipe) hier...
Man könnte meinen, das Lied wäre eine Hommage auf unser kleines "Schwåånestiebsche". Die hier hinterlegten Fotos passen auch gut zum Text der deutschen Version (Text von Michael Kunze) dazu. (Bilder per Mausdklick vergrößerbar)
Bild links, Ende der 50er Jahre:
Fau Göller beobachtet, aus dem Fenster lehnend, ihre Tochter Claudia beim spielen mit den Hund. Das Mädchen trägt ein leichtes Sommerkleidchen. Der Dackel macht
artig "Männchen", um das "Leckerli" zu bekommen. Am Trottoir parkt ein dunkler Borgward Isabella Kombi (gebaut 1954-1961, Video), die Abendsonne reflektiert in dessen
Chromleisten und wirft Schatten in Richtung "Mitteldorf". An diesem
heißen Sommertag dürfte es, dem Stand der Sonne nach
zu urteilen, ca. 20 Uhr gewesen sein. Auffallend ist, dass die Eisfahne rechts an der Hausfassade anscheinend neu angebracht wurde und links noch kein Wirtshausschild und kein Zigarettenautomat zu sehen ist. Zigaretten wurden in der Anfangszeit noch an der Theke verkauft.
Bild rechts, wie auch das Titelbild oben, aus dem Jahre 1971:
Der vierjährige Detlef blickt auf seinem Kettcar mit leicht zugekniffenen Augen der Sonne entgegen in die Kamera. Das Foto dürfte am späten Vormittag an einem Frühlings- oder Sommertag geknipst worden sein. Im Hintergrund wirbt die Schöllerfahne an der Hausfront der Hauptstraße 9 für Eis am Stil, man erkennt auch das Gasthausschild "Zum Schwanen". Der Namen führte auf den Ausschank von Schwanen Bier
(Schwanenbräu Großostheim, 1792-1978) zurück. Wenige Monate, Wochen oder gar Tage nach diesen Aufnahmen wurden die allerletzten Biere in dieser urigen Kneipe gezapft.
Diese Fotos entstanden ca. 50 Jahre danach, aus den Jahren 2017 und 2018. Das Haus in der Hauptstr. 9 hat seinen Charme von damals erhalten, u.a. die Klapprolläden zeugen noch aus der Zeit um Mitte des 20. Jahrhunderts.
Heutzutage können viele der jüngeren Einwohner mit dem Namen "Göller" oder "Schwanestübchen" nichts mehr anzufangen. Ähnlich wie mit einigen weiteren historischen Gasthäusern auch. Deshalb ist es umso wichtiger, diese lebhaften Kapitel der Niedernberger Ortsgeschichte aufzuarbeiten und für die Nachwelt festzuhalten. Es wäre schade, wenn diese schönen Erinnerungen im Laufe der Generationen für immer ausgelöscht würden.
Aufgrund der kleinen Räumlichkeit wurde das Gasthaus "Zum Schwanen" im
Volksmund allgemein das "Schwanenstübchen" genannt. Einige Jahrzehnte zuvor gab es schon einmal eine Gaststätte mit diesem Namen, doch das vorherige, historische Gasthaus "Zum
Schwanen" war nach der dortigen Schwanengasse benannt und damals längst zu einer Bäckerei
umfunktioniert.
Erster
Betreiber im "Schwanestübchen"war Theo Zang, er beseitigte die erheblichen Kriegsschäden am Haus, beantragte die Konzession für eine Gaststätte, die er 1951 eröffnete. 1954 verkaufte er das Haus an Josef Schön, der die
Gaststätte ab 1955 weiterführte. Es war die Zeit, als das Wasser noch mühselig aus den Dorfbrunnen geholt werden müsste, erst 1957 begann man mit
der Verlegung der Wasserleitungen (Pumpenhäuschen), 1958 wude der Wassserturm gebaut die Einsegnung fand ikm Juli 1959 statt. Nach Übernahme im August 1956 durch Hans Göller und seiner Familie wurde
die "kleine Kneipe" im "Innerort" schon bald nach seinem neuen Wirt
"zum Göller" genannt. Nach genau 15 Jahren wurde der Gaststättenbetrieb
jedoch aus Altersgründen eingestellt. Hans rief am 1.9.1971 "Feierabend" für "immer und ewig" aus.

Stammtisch beim Göller. Vorne links ist die jüngste Tochter Claudia auf dem Schoss von Eugen Klement abgebildet, dahinter Walter Gehlert, mittig im Hintergrund Irene und Roland Petermann, rechts vorne Heinz Schmitt, rechts am Bildrand Werner Heisig. An der Wand ein eingerahmtes Erinnerungsfoto von Hans Göller an seine Beschäftigung als Dompteur.
Für Hinweise auf evtl. Fehler, und auf Anekdoten zum Schwanestübchen freuenn wir uns, bitte per
Email senden, Danke!

Hans Göller in seinem neuen Element, als Wirt hinter der Theke, ganz rechts seine Gattin, links daneben
sitzend seine älteste Tochter Janka. Vorne, an der Theke stehend, lacht Walter Gehlert in die Kamera. So richtig gemütlich klein war der Laden, strahlte eine vertraute und gesellige Atmosphäre aus. Zu den Gästen zählten meist Einheimische,
überwiegend Männer aus der Nachbarschaft, die sich zu einem Bierchen, Plausch oder zum Kartenspiel
trafen. Aber auch viele Einwohner außerhalb des "Innerdorfs" wussten das urige Ambiente und den Charme beim "Hans" zu schätzen, darunter auch viele Damen. Da es sich um eine "Kneipe" und nicht um ein Restaurant handelte, gab es nur eine begrenzte Auswahl an Speisen. Die üblichen Hungerstiller waren damals u.a. "Hackfleischweck" (Frikadellenbrötchen), gekochte Rippchen mit Brot oder mit Käse und Hausmacher Wurst belegte Brötchen bzw. Brote. Und da Hans an seine vertraute, kleine Gesellschaft oftmals länger (als die großen Gasthäuser) ausschenkte, liefen zu später Stunde auch ab und zu "bedürftige" Nachtschwärmer ein, die in ihren Stammkneipen "vor die Türe gesetzt" wurden. Ja, in "Eckkneipen" ging es manchmal rund, mitunter auch im Honischland und bis in die goldene Morgenstund.
Hans Göller hatte in früheren Jahren als Dompteur im Zoo gearbeitet, u.a. auch Hunde dressiert. Im mittleren Bild sieht man ihn mit einem seiner Hunde. Rechts ist Hans mit Tocher Janka gut gelaunt hinter der Theke abgebildet.

Bild links:
Faschingsumzug
durch die Niedernberger Hauptstraße. Im Hintergrund
schauen Hans Göller (im Fenster links unten) und seine Vertrauten dem
bunten Treiben zu. Solche Logenplätze waren nicht nur damals
hochbegehrt. Im Jahre 2018 feierte der NCV Niedernberg seinen 60. Geburtstag. Faschingsumzüge gab es bereits vor der
Vereinsgründung 1958, hier ein Umzug im Februar 1966. Der erste
Kreiskarnevalsumzug fand dann 1970 in Niedernberg statt.
Bild oben rechts:
Stolz schreitet Indianerhäuptling Frank Dürl dem 1957
gegründeten Spielmannszug vorweg, sein Vater Walter befindet sich sicherlich
auch unter den Fanfarenbläsern. Oben links in der Ecke zu sehen: Das erste Gruppenbild: Die neuen Anzüge (blaue Hosen u.Schiffchen, weiße Oberteile) werden vor der Sandsteinschule präsentiert (1958).

Bild links: Gernot (Gollas) der Erste und Gertrud (Hans) die Erste
regierten im Jahre 1966 über das Honischland! Es war das vierte Prinzenpaar in
der Geschichte des damals noch jungen NCV, verheiratete Ehepaare erhielten ab 1972 Einzug.
Bild rechts: In Anlehnung an den im November 1965 in Las Vagas
ausgetragenen Schwergewichtskampf Cassius Clay - Floyd Patterson (Video) wurde beim Faschingszug 1966
ein Boxkampf um den Titel des "Orts-Tyrannen" Hartlaub gegen Seitz ausgerufen.
Anekdoten / Erinnerungen an das Schwanestübchen:
"sonntagnachmittags
gabs im Schwonestibbsche immer eine Bluna und Salzstengelschen vom Babba für
mich"
"dort habe ich um die 1958/60, wenn ich meinen
Papa zu Essen holen musste, von deinem Opa meist einen Negerkuss spendiert bekommen"
"der Göller
hatte das leckere Schokoeis im blauen Glanzpapier, ich glaub es war Schoellereis"
"wenn ich für meinen Pappa beim Göller Zigaretten holte, durfte ich mir immer ein Eis aus der Kühltruhe aussuchen!"
Weitere Erinnerungen oder Anekdoten sind willkommen und werden umgehend eingepflegt. E-Mail-Adresse
Hätte Hans Göller nicht aus Altersgründen geschlossen, so wäre das Lokal sicherlich einige Zeit später dem Kneipensterben zum Opfer gefallen. Auch die damals in dieser Zeit konkurierenden Gasthäuser Zur Linde, Zum Blauen Bock, Zur Krone und Zur Mainaussicht sind längst Geschichte.
Hintergrundinfos zum Thema Kneipensterben:
Seit Jahren ist eine Tendenz zu erkennen, dass die Anzahl
der Kneipen und ursprünglichen Gaststätten kontinuierlich zurückgeht.
Spitzenreiter des Kneipensterbens ist Hamburg, wo die Zahl der
Gaststätten zwischen 2001 und 2010 um 48,1 Prozent gesunken ist, gefolgt
von Niedersachsen mit einem Verlust von 41,2 Prozent. Das hat mehrere Gründe:
Die Menschen trinken weniger Bier, arme Leute verdienen weniger Geld und junge
Menschen verleben ihre Freizeit anders.
Bundesweit ging die Zahl der
Schankwirtschaften in den Jahren von 2009 bis 2015 von knapp 36.700 auf
rund 31.100 zurück. Ein Zusammenhang zwischen dem Kneipensterben und dem
Nichtraucherschutz ist nicht erkennbar; sowohl in Hamburg als auch in
Niedersachsen gibt es eine Ausnahme im Gesetz, die das Rauchen in Kneipen bis 75
m² Fläche im gesamten Lokal erlaubt. Im Freistaat Bayern, das über ein
generelles Rauchverbot in Kneipen verfügt, haben im selben Zeitraum nur 24,5
Prozent der Schankbetriebe geschlossen. (Quelle Wikipedia)