Geburts- und Bestattungshilfen

In unserem Wochenrätsel gilt es seit Januar 2021 Niedernberger Persönlichkeiten, welche in der Öffentlichkeit standen oder einen hohen Bekanntheitsgrad erreichten, sowie historische Ladengeschäfte, Firmen, Salons, Praxen, Wirtshäuser, Handwerksbetriebe etc. zu erraten. Nach Auflösung der jeweiligen Rätsel werden diese Personen mit einem bebilderten Rückblick hier in den Rubriken eingepflegt.


Josef und Walfried Reinhard (* 1936), Werner Bleifuß (* 1960)

 

Walfried als kleiner Bub vor der Haustüre und mit Vater Josef im Hof seines Elternhauses in der Rathausgasse 1, wo er 1936 das Licht der Welt erblickte.


 

Walfried und sein Papa sind zurecht stolz auf das Peugeot-Motorrad. Im Hintergrund betrachtet auch das Nachbarsmädchen, Anna Fecher ("Orschel-Anna"), aufmerksam die Szenerie. Der Junge nimmt schon mal Platz auf dem Fahrersitz, einige Jahre später ist er selbst Besitzer eines "heißen Ofens".  



Walfrieds Eltern Josef (* 1910, † 1998) und Elise Reinhard, geb. Schmitt (* 1913, † 1999). Um 1950 zog die Familie in die Kirchgasse 4, dem Elternhaus von Walfrieds Mutter Elise, in der Rathausgasse wurden die Verhältnisse zu beengt. In der Kirchgasse konnte Josef Reinhard seine Schreinerei erweitern, in dem er die Stallungen in eine Schreinerwerkstatt umbaute.



 

Die Schreinerei von der Hitzelsecke aus gesehen. Vater Josef Reinhard fertigte Möbel nach Bestellung und später überwiegend Holzfenster. Auch Särge hat er nach Bedarf gefertigt. Als Schreinermeister bildete Josef Reinhard auch Lehrlinge aus, wie z.B. den jungen Mann mit dem Hobel im Bild rechts.


 

1950er Jahre, Schaufensterausstellung in der Kirchgasse, im Bild eine Cousine von Walfried. Quittung von 1965
 


   

Porträts von Walfried Reinhard: Um 1946, Mitte der 1950er und im Jahre 1967



Der Jahrgang 1935/36 im Jahre 1950 vor dem Niederwalddenkmal (Schulabgangs-Ausflug nach Rüdesheim). Walfried im Bild oben links.

Walfried erlernte ebenfalls den Beruf des Schreiners bei seinem Vater im Betrieb und arbeitete nach der Gesellenprüfung weiter mit ihm zusammen. In jungen Jahren war Walfried  ein begeisterter und guter Ringer, musste aber aus gesundheitlichen Gründen den aktiven Ringsport aufgeben. Den Verein unterstützte er aber lange Jahre als begeisterter Fan.

1959 heiratete Waldfried und lebte in den ersten Ehejahren mit seiner Frau in Sulzbach, dem Heimatort seiner Frau. Dort kam auch Tochter Petra zur Welt. 1965 zog die Familie nach Niedernberg, zunächst in die Kirchgasse 4, 1979 ins neue Eigenheim in der Ilbenstraße.



"Handwerksarbeit bürgt für Qualität" -  "Gott segne das ehrbare Handwerk" - ein Festwagen der Schreinerei Reinhard zum Heimatfest 1952. Links hinten Schreinermeister Josef Reinhard, auf der Werkbank neben dem Fenster sitzt sein Sohnemann Walfried Reinhard. Im Hintergrund die Schaufenster des Textilladens von Paula Hartlaub in der Hauptstraße 70, bevor 1955 der Neubau des Wohnhauses in der Hauptstr. 63a erfolgte.


 
Drei fesche junge Männer im Festanzug 1952: Otto Wenzel, Nikolaus Gerlach und Walfried Reinhard (v.l.n.r.). Im rechten Bild droht Walfried dem Fotografen mit einer Schneeballschlacht, Aufnahme Mitte der 1950er in der Kirchgasse.



 

Wie der Vater, so der Sohn: Auch Walfried gönnte sich ein Motorrad. Walfried 1954 vor der Scheune von Eugen Wenzel und vor den Schaufenstern in der Kirchgasse 4.


 

In den 1960er Jahren übernahm Walfried die Schreinerei vom Vater. Wie es früher oft üblich war, übernahm der Schreiner auch die Bestattungsaufgaben, d.h. er sorgte für die Überführung in den Friedhof. Für das Ausheben des Grabes sorgte meist ein Helfer; im alten Friedhof war dies lange Zeit Hugo Pöschl. Die Gräber wurden per Hand mit Schaufel und Spitzhacke (Pickel) ausgehoben, auch im Winter, wenn der Boden gefroren war – das war Schwerstarbeit. Die Verstorbenen trug man früher im Sarg zum Friedhof (damals noch im Ort, Foto oben rechts um 1958). Als ein zweirädriger Karren (Foto oben links) von der Gemeinde angeschafft wurde, war das eine große Erleichterung. Bis zur Einweihung des neuen Friedhofs im Jahr 1963 wurden die Toten zu Hause aufgebahrt, im Hof des Anwesens erfolgte die Aussegnung, bevor es in den Friedhof ging. Ab 1963 konnte man die Verstorbenen in einem Auto-Anhänger in den Friedhof bringen, der Hänger gehörte der Gemeinde. Aufgebahrt wurden sie im Leichenhaus. In warmen Sommern entstanden oft sehr unangenehme Gerüche. Daher schaffte die Gemeinde 1992 eine Kühlbox an.

1972 übernahm Walfried die hoheitlichen Arbeiten auf dem Friedhof, die er nach Ausschreibung von der Gemeinde übertragen bekam. Das heißt – nur Walfried war zuständig für die Grabvergabe und die Erdarbeiten, auch wenn ein anderer Bestatter die Beerdigung durchführte. Mit der Übernahme der Hoheitsrechte kaufte Walfried von der Gemeinde auch den Leichenwagen, mit dem die Verstorbenen Jahrzehntelang zum Friedhof, bzw. ins Krematorium gebracht wurden. Walfried machte die Bestattungen hauptberuflich. Seine Frau unterstützte ihn bei den Büroarbeiten. Zu den Aufgaben des Bestatters gehörte auch, das Leichenhaus morgens auf und abends abzusperren, wenn jemand aufgebahrt war. Früher wurden die Toten in einfachen Holzsärgen bestattet, das Angebot an Modellen wurde jedoch im Laufe der Jahre größer. Daher richtete Walfried im Nebenbau seines Wohnhauses in der Ilbenstraße einen Ausstellungsraum für Särge und Zubehör ein.



 

Links das ehemalige Haus in der Kirchgasse 4 nach Umzug in die Ilbenstraße. Links: Der Opa hält voller Stolz seine Enkelin in die Kamera (1991).
 


Auch im neuen Friedhof wurden die Gräber zunächst mit der Hand ausgehoben. Später wurde die Firma Roland Lechermann beauftragt, die Gräber mit dem Bagger auszugraben, was eine große Erleichterung war. Für die Arbeit auf dem Friedhof brauchte Walfried natürlich Helfer, die im Laufe der Jahre wechselten. Über 30 Jahre lang stand ihm dabei sein Freund Kurt Klement (Foto aus dem Jahre 2000) zur Seite.



Walfried im Jahre 2001 mit dem Leichenanhänger.

Ab ca. 2010 änderte sich die Bestattungskultur. Nach bisher wenigen Urnenbestattungen nahm diese Bestattungsform in Niedernberg jetzt stark zu. Inzwischen ist eine Erdbestattung im Sarg schon fast zur Seltenheit geworden.

 Walfrieds Schwiegersohn Werner Bleifuß unterstützte ihn seit Ende der 1980er Jahre bei den Bestattungsarbeiten.





Werner Bleifuß


Die Schwestern Christiane und Maria, Werner Bleifuß, Schwester Giselinde (v.l.n.r.), im Hintergrund der Waldweg (Foto 1961)



 

Werner Bleifuß wurde 1960 geboren, hier auf den Fotos seine Einschulung im Jahre 1966.

Nach dem Schulabschluss 1976 erlernte er den Beruf des Maschinenschlossers. 


 

Wie sein späterer Schwiegervater Walfried war auch Werner war ein begeisterter und guter Ringer. 1966 begann er in der Schülermannschaft, rang später in der Jugendmannschaft und schließlich in der 1. Mannschaft. Anfang der 1990er Jahre begann er als Trainer für die Schüler und Jugend.




Kampfaufstellung bei einem Ringkampf der ersten Mannschaft des KSC Niedernberg Anfang der 80er in der Schulturnhalle Niedernberg).Walter Straub, Udo Kempf, Bernd Seitz, Michael Fecher, Karl-Heinz Hartlaub, "Bullsche" Helmut Schmitt, Helmut Gerlach, Werner Bleifuß, Udu Kowarschik,

Wie sein späterer Schwiegervater Walfried war auch Werner war ein begeisterter und guter Ringer. 1966 begann er in der Schülermannschaft, rang später in der Jugendmannschaft und schließlich in der 1. Mannschaft (Foto Schulturnhalle Niedernberg). Anfang der 1990er Jahre begann er als Trainer für die Schüler und Jugend.


 

Drei Meisterschaften in Folge (Oberliga Hessen) mit Aufstieg in die 2. Bundesliga Mitte. Foto rechts ca. Ende 80er Jahre.




    

1986 heiratete er seine Frau Petra, geb. Reinhard. Zusammen haben sie eine Tochter. Rechts: Werners Bus zur Leichenüberführung.

2013 übernahm Werner Bleifuß das Bestattungsunternehmen. Es war schon immer eine Herzensangelegenheit von ihm, die Verstorbenen würde- und pietätvoll zu bestatten und die Angehörigen zu unterstützen und zu begleiten. Seine Ehefrau Petra leistete ihm hierbei wertvolle Hilfe bei der Begleitung von trauernden Angehörigen, kaufmännischen Aufgaben oder im Friedhof bei der Dekoration in der Aussegnungshalle bzw. am Grab.

Mit Übernahme des Unternehmens schaffte sich Werner einen Kleinbus als Leichenwagen an. Der Hänger wurde verkauft und befindet sich in Privatbesitz. Auch bot Werner neben diversen Sargmodellen jetzt auch eine Auswahl an Urnen an, bzw. man konnte auch aus dem Katalog bestellen.

Wenn eine Beerdigung oder Überführung anstand, nahm sich Werner Urlaub. Hauptberuflich arbeitet er als Maschinenbauermeister bei der Firma ABI hier in Niedernberg. Werner bzw. Petra standen bei einem Trauerfall immer zur Verfügung – Tag und Nacht.



 

Dekoration im Leichenhaus Niedernberg.



 

Dekoration bei einer Sargbestattung und bei einer Urnenbestattung



  

Urnenbestattungen auf dem Niedernberger Friedhof. Rechts im Bild Werner Bleifuß.


Im Dezember 2021 hat Werner die Bestattungsarbeiten aufgegeben und die Firma abgemeldet. Gleichzeitig gab auch die Firma Lechermann die Arbeiten auf dem Friedhof auf.




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Hebamme Erna Rohmann

Erna wurde im Dezember 1913 unter dem Familiennamen Freund geboren und gründete mit ihrem Ehemann Michael Rohmann eine Familie. Die Leidenschaft ihres gatten michael waren die Brieftauben (hier... im Gruppenfoto erste Reihe in der Mitte).

Ein Foto von Michael in seinem Brieftaubenverschlag ist hier... zu sehen. Einen Main-Echo-Artikel über die Brieftaubenaustellung 1975 in der Turnhalle Niedernberg und Michael Rohmann als erfolgreichster Züchter findet man hier ...


Dass "Erna" im ganzen Ort bekannt war, ist nicht verwunderlich. Schließlich übte die gute Frau ihren Beruf als Hebamme über einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten aus und begleitete die Schwangerschaft, Geburt und zumeist auch die Taufe von ca.  zweitausend Niedernberger Neugeborenen. Damit drang sie - ihrer Tätigkeit bedingt - wie kaum eine andere Ortsperson in die intimsten Bereiche der unzähligen, beteiligten Familien ein.


Bereits ihre Schwiegermutter, deren Arbeit sie übernahm, war Hebamme: Genovefa Rohmann, genannt "Bas Eva". Sie wirkte von 1891 bis 1941 als Hebamme und verhalf ebenfalls ca. 2000 Kindern zur Welt. Genovefa selbst war Mutter von 11 Kindern. Zu damaligen Zeiten begleitete die Hebamme Neugeborene und ihre Eltern, bzw. Paten auch bei der Taufe in der Kirche. Im Mittelalter war es sogar Pflicht, alle Neugeborenen persönlich zur Taufe zu bringen und im Fall eines Kindstodes unter der Geburt die Nottaufe vorzunehmen. Bis Ende der 1940er Jahre trug Erna zum Anlass der kirchlichen Taufe ein dunkles Häubchen (siehe Foto rechts). ... (alle Bilder per Mausklick vergrößerbar)


Pfarrer Franz Eckert (1946 - 1964 in der Pfarrei Niedernberg) und Hebamme Erna im Jahre 1963 bei einer feierlichen Taufzeremonie mit Zwillingen in der Cyriakus Pfarrkirche



1. Februrar 1976: Da strahlt die Sonne mit den beiden glücklichen Omis um die Wette: Hebamme Erna hält deren an Weihnachten geborene und gerade frisch getaufte Enkelin in den Armen.

Erna übte ihren Beruf von 1941 bis in die 80er Jahre hinein bei über 2000 Geburten aus. In den geburtsstarken Jahrgängen musste sie manchmal zwischen zwei Geburten pendeln. Was heutzutage gang und gäbe und daher für die jüngere Generation fast unvorstellbar ist: Die Anwesenheit der Männer bei der Geburt war damals nicht erwünscht.

 


Links sieht man Erna in den Anfangsjahren mit Haube vor ihrem Elternhaus in der Hirtengase. Im rechten Bild schaut sie bei einer Wöchnerin (eine Mutter in den ersten Wochen nach der Geburt) nach, ob alles im Rechten ist.

Der Beruf der Hebamme zählt zu einer der ältesten Frauenberufe überhaupt, u.a. Tempelmalereien zeugen von der Jahrtausende alten Hebammenkunst  Früher kamen wesentlich mehr Kinder als heute zur Welt, bis ca. Anfang der 1960er Jahre gab es überwiegend Hausgeburten, der Rückgang verzeichnete sich zunehmend, als 1968 die Geburtskosten von den Krankenkassen übernommen wurden.


 

Links: Lotte Seitz, Robert Klug und Erna mit dem Täufling im Arm.  Rechtes Bild: Sieglinde und Josef Bieber mit Erna, die deren ältesten Sohn bei der Taufe in den Arm hält. Die Aufnahme entstand Anfang Januar 1963, im Hintergrund erkennt man im Altarraum die mit Lametta geschmückten Weihnachtsbäume.Es war ein bitterkalter Winter 62/63 mit tagelangen Minustemperaturen um die -20 Grad, der strengste des 20. Jahrhunderts und seine ungewöhnlich lange Frostdauer galt als die längste seit 250 Jahren. Der Main war komplett zugefroren und bildete eine dicke, tragende Eisschicht (Foto). In der Niedernberger Kirche war es damals so kalt, dass sogar das herunter getropfte Weihwasser unverzüglich auf dem Boden gefror.

Erna verstarb am 19. Dezember 1984. Auf den Tag genau 71 Jahre nach ihrem Geburtstag (19.12.1913)

Zum Thema passend findet man hier... anlässlich des Dorfrundweges einige Einträge zur kath. Pfarrkirche.


Wir freuen uns auch über Vorschläge, Anregungen und Übermittlung von Archivmaterial, siehe hier...