Textil- und Modegeschäfte, Schuhe

Hier stellen wir nach und nach ehemalige Gechäftsinhaber der Bekleidungsbranche und Schuster, welche in die Ortsgeschichte eingingen, vor.


Textilhaus Paula Hartlaub (1.12.1949 bis 1.12.1988)


1955 erfolgte der Neubau des Wohn- und Geschäftshauses in der Hauptstr. 63 a. Unten rechts: Ein Foto aus 2017

 

Paula hat mit Verkauf bereits im Elternhaus in der Michael-Groß-Str. 21 begonnen. Schon bald zog sie mit ihrem kleinen Verkaufsraum in die Hauptstraße 70. Ein Wohnfenster diente als Schaufenster. 1955 erfolgte der Neubau des Wohnhauses in der Hauptstr. 63 a, in dessen Erdgeschoss der Laden mit 3 großen Schaufenstern eingerichtet wurde. Später wurden weitere Räume zu Verkaufsräumen umfunktioniert. Im ersten Stock fand sich ein Raum für Gardinen nebst Zubehör und Gardinenleisten. Im Nebengebäude im Hof wurde die Reinigungsmaschine für Bettfedern untergebracht. Hier verkaufte Paula auch Inletts und Daunen bzw. Federn für Bettzeug.





Fotos nach einem Umbau 1967

   

Im Verkaufsraum fand das vielfältige Angebot in Regalen platz, die  bis an die Decke reichten. Das Sortiment wurde ständig erweitert. In der Anfangszeit gab es bei auch Hygieneartikel zu kaufen.

Hier ein Überblick über die breite Angebotspalette: Kurzwaren, Unterwäsche, Miederwaren, Handtücher, Nachtwäsche, Hemden, Blusen, Schürzen, Baby- und Kinderkleidung, Berufskleidung, Sportkleidung z.B. Trainingsanzüge, Stoffe, Tischwäsche, Gardinen und Zubehör (auch mit Fertigung und Montage), Bettbezüge, Federbetten und deren Reinigung, Teppiche, Schlafsäcke, Koffer, Taschen und Schirme, Badeartikel und Zubehör, Kommunionschmuck, Karten für bestimmte Anlässe, z.B. Kommunion oder Hochzeit, Schmuck – man bekam fast alles – sogar Silvesterknaller. Und was nicht vorrätig war, wurde nach Möglichkeit bestellt. Ihre Töchter Eleonore und Heidi unterstützten Paula im Verkauf.

Paula hatte auch eine Reinigungsannahme.

Bis zur ersten öffentlichen Telefonzelle im Dorf konnte man bei Paula auch gegen Entgelt telefonieren (Gebührenzähler).

Bis Ende der 1960er Jahren kam es oft vor, dass die Leute anschreiben ließen. Wenn den Bauersfamilien wieder etwas Geld zur Verfügung stand, meist im Herbst, wurde der Kaufpreis abbezahlt.

 





Amtsblatt-Anzeigen aus den 1960er Jahren zeigen das schon damals breit gefächerte Sortiment.


  

1966 waren "Blue Jeans Hosen" der Schlager. Den Ohrwurm "Jeans On" von David Dundas kennen sicherlich die meisten ...   When I wake up, in the morning light, I pull on my jeans and I feel all right - I pull my blue jeans on - I pull my old blue jeans on



Paula wurde 1927 geboren (geb. Buhler) und ist 2017, kurz nach ihrem 90. Geburtstag, verstorben.


 

Paula als Kommunionkind 1938 und mit Schwesterchen Rosel

Sie besuchte in Niedernberg die Volksschule, anschließend die Kraussche Handelsschule in Aschaffenburg, mit erfolgreich abgeschlossener Prüfung.

Da der Vater im alter von 38 Jahren früh verstorben war, musste Paulas Mutter ihren Lebensunterhalt alleine mit mehreren Arbeitsstellen verdienen. Soziale Absicherungen wie heute gab es noch nicht. Deshalb wurden Paula (sie war damals 8 Jahre alt) und ihre Geschwister auf die Verwandtschaft aufgeteilt. Paula kam zu ihrem Onkel, dem Krämer Johann Haas. Hier half sie bereits früh im Geschäft mit. Dabei eignete sie sich die Kenntnisse für eine Geschäftsführung an. Sie bediente auch öfter die Waage am Wiegehäuschen und musste bei der Feldarbeit mithelfen.

Als sie ihr Geschäft Ende 1988 aufgegeben hatte, wurde das Anwesen verkauft und Paula zog zu ihrer Tochter in die Ilbenstraße.



Familienfoto Anfang der 40er Jahre, v.li.n.re: Elvira, Rosel, Heini, Mutter Elise und Paula Buhler.



       

. Ein Porträt aus dem Jahre 1944 zeigt Paula mit 17 Jahren und daneben etwas später mit ihrer jüngeren Schwester Rosel, der "Faschingsikone", als Zigeunerin verkleidet. Foto rechts: Hochzeit von Paulas Eltern Elisabeth und Cölestin Buhler.



   

Die Hochzeit mit Edmund fand 1949 statt, mit auf dem Foto ihre Schwester Rosel. Im Foto rechts Paula und mit ihren Kindern Eleonore, Heidi und Günther im Jahr 1958.


 

Dorffest 1995: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen ... Zwiebelschneiden für den Zigeunertopf (mit Rainer Reinhard und Hanna .Büchler), rechts im Bild Paula kurze Zeit später beim "Trinkgelage" im "Zigeunerlager" des Geschichtsvereins


Paula war eine freundliche, aber auch resolute Frau – sie war eine Geschäftsfrau mit Leib und Seele. Sie war vielseitig interessiert und vor allem – sie erzählte gerne, auch von früher. In ihrem Geschäft erfuhr man die Neuigkeiten aus dem Ort. Da sie sich sehr für die Niedernberger Geschichte interessierte, trat sie im Januar 1987 dem Geschichtsverein bei. Hier hatte sie 6 Jahre lang das Amt der stellvertretenden Schriftführerin inne. Durch ihr Hüftleiden konnte sie bei Aktivitäten leider nicht mitwirken. Sie war aber immer sehr interessiert bei Veranstaltungen dabei und stiftete ihre legendären Hefezöpfe, wenn Kuchen gebraucht wurde.

Paula pflegte den Schriftverkehr. Auch prominente Persönlichkeiten bekamen von ihr Post und sie freute sich über deren Antworten und war stolz darauf. Wie viele Geburtstags- und sonstige Wünsche oder Lobesbriefe mag sie wohl in ihrer markanten Schrift versendet haben?

Paula besuchte gerne und fleißig die „Spätlese“.



 

Paula 2003 bei ihrem 76. Geburtstag und 2008 bei der Vorstellung des Mundartbuches "Sou hon isch gesääd" im Musicum.




 

Foto links: Han­na Büch­ler (re.) und Al­bert Wag­ner (2.v.re.) sind für ih­re Ver­di­ens­te um den Ge­schichts­ve­r­ein Nie­dern­berg zu Eh­ren­mit­g­lie­dern er­nannt wor­den. In der Jah­res­ver­samm­lung 2012 im Ca­fé Rein­hard zeich­ne­te Vor­sit­zen­de Do­ris Blasch­ke (li) ne­ben Han­na Büch­ler auch Ger­lin­de Fe­cher (Mitte), Pau­la Hart­laub (2. v. li.) Man­f­red Kle­ment (3. v. li.) und Ed­gar Seitz für 25 Jah­re Treue zum Ve­r­ein aus. Hier...  gehts zum Main-Echo Bericht. Rechts im Bild mit 85 Jahren (2012) mit Rollator in der Hauptstraße.




 

Paulas Ehemann Edmund (*1925, † 1986) war gelernter Metzger. Im Winter war er als Hausmetzger bei Hausschlachtungen tätig, im Sommer arbeitete er als Maurergehilfe, wie im Bild oben links beim Schulbau 1959 (Edmund rechts mit Schippe). Ansonsten war er stark im Geschäft mit eingebunden. Im rechten Bild sieht man ihn bei einer Fleischbeschauung bei seinem jüngeren Bruder Hermann Hartlaub



 

Edmund bei einer Hausschlachtung und im Foto rechts beim "Wurstmasse eindosen".




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Textilgeschäft Frieda Hytha (1957 - 1993)


Das Textilwaren-Fachgeschäft Frieda Hytha in der Schulstraße 37 wurde um 1957 eröffnet und im Jahre 1993, keine zwei Jahre vor dem Ableben von Frieda, geschlossen. Das breitgefächerte Sortiment reichte von Damen-, Herren- und Kinderbekleidung (vom Schlafanzug und Bikini bis zur Wrangler-Jeans) über Bettwäsche, Gardinen und Stoffe bis hin zu vielerlei Strickwaren. Auch Rheumadecken konnte man in dem kleinen, schuckeligen Laden kaufen, dazu musste man keine "Kaffeefahrt" mitmachen. Bekannt war das Geschäft für die große und gute Auswahl an Vorhängen. Im oberen Bild erkennt man die Fronleichnam-Dekoration auf der Treppe und am Gartenzaun. Unten rechts eine Aufnahme aus Oktober 2017, die Spuren vom legendären Ladengeschäft sind noch deutlich sichtbar.

    




Frieda im Jahre 1957, kurz nach der Geschäfteröffnung mit ihrem Gatten Andreas ("Anderl / Antel") und den Kindern vor ihrem Textilladen




   

Frieda mit Haarkranz und Schleifchen in den Zöpfen bei der Hl. Kommunion 1951, rechts ein Porträt als Jugendliche

 

Frieda vor dem Elternhaus in der Hauptstraße 82 mit Mutter und Schwester und rechts mit einem Soldaten, der sie anspricht. Die Aufnahmen entstanden Ende der 30er Jahre. Damals trug sie lange, geflochtene Zöpfe.


Wie alle ihre Kempf-Geschwister hatte Frieda ein riesiges Herz! Sie war eine geduldige, liebenswerte Frau, die gerne, wenn sie die Zeit dafür fand, gestrickt und genäht hat. Und sie war eine gute Köchin, hat tolle Gerichte zubereitet. Alles, was der Garten hinterm Haus hergab, wurde eingekocht und zu Speisen verarbeitet. Humor hatte Fieda auch, hat z.B. gerne auch mal, nach bester „Max & Moritz – Manier“, ihrer Tochter Christine einen Maikäfer in die Haare gesetzt.




Frieda Hytha, vierte von links (mit Kind auf dem Arm), ist die zweitjüngste Tochter aus der geschäftstüchtigen Großfamilie Heinrich Kempf.

   

Frieda (*19.Feb. 1922, † 19. Jan. 1995) bei der Kommunionsfeier ihrer Tochter Christine Mitte der 60er in ihrer Küche und rechts in den 90er Jahren. Im Bild links räumt sie wahrscheinlich gerade das feine Geschirr aus dem Wohnzimmer-Schrank, während das Kommunionsmädchen einen Lutscher genießt, deren Onkel Seppl († 2009) und Onkel Wolfgang († 1982) vertreiben sich derweil die Zeit mit einem Bierchen. Mit auf dem Foto auch Friedas Neffe Udo Kempf, als "kleiner, feiner Max" und ihr Sohn Gerd, der im September 1969 im Alter von 17 Jahren bei einem Mopedunfall, zusammen mit ihrem 16-jährigen Neffen Egon Zimmermann, tödlich verunglückte.



In unserem Wochenrätsel gilt es seit Januar 2021  Niedernberger Persönlichkeiten, welche in der Öffentlichkeit standen oder einen hohen Bekanntheitsgrad erreichten, sowie historische Ladengeschäfte, Firmen, Salons, Praxen, Wirtshäuser, Handwerksbetriebe etc. zu erraten. Nach Auflösung der jeweiligen Rätsel werden diese Personen mit Kurzbeschreibung und Bildmaterial hier in den Rubriken eingepflegt. 

Wir freuen uns auch über Vorschläge, Anregungen und Übermittlung von Archivmaterial, siehe hier...